
Die traditionsreiche Papierfabrik in Penig, die als älteste produzierende Papierfabrik Deutschlands gilt, wird nach fast 500 Jahren ihre Pforten schließen. Dies wurde Mitte Februar von der Felix Schoeller-Holding, dem Eigentümer der Fabrik, bekannt gegeben. Insgesamt sind 119 Mitarbeiter von dieser Schließung betroffen. Die Entscheidung ist das Resultat eines trotziger Wettbewerbsdrucks und einer anhaltend schwachen Konjunktur in der Branche, die sich nicht auf absehbare Zeit verbessern wird, wie Unternehmenschef Christoph Gallenkamp erklärt.
Bürgermeister André Wolf (CDU) äußerte die gedrückte Stimmung in der Stadt und kritisierte den „Schwebezustand“, in dem sich die betroffenen Mitarbeiter und die Stadt befinden. Ferner forderte er ein Umdenken in der Unternehmenszentrale in Osnabrück und äußerte Bedenken über die ungleiche Behandlung von Ost- und Weststandorten. „Die Stärkung der Standorte im Osten darf nicht zur Nebensache werden“, so Wolf.
Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Diese Schließung erfolgt vor dem Hintergrund einer sinkenden Anlagenauslastung in Ostdeutschland, die zurzeit bei nur 70 Prozent liegt. Insbesondere energieintensive Branchen, wie die Papier- und chemische Industrie, leiden unter hohen Strompreisen, was die wirtschaftliche Tragfähigkeit dieser Betriebe gefährdet. Laut Prof. Joachim Ragnitz vom ifo-Institut ist dies weniger eine bewusste Entscheidung gegen den Osten als vielmehr eine generelle Rezession in der Industrie.
Die Schließung der Fabrik in Penig ist jedoch nicht der einzige Anlass zur Besorgnis. Volkswagen zieht wichtige Modelle aus dem Zwickauer Werk ab, was Fragen bezüglich zukünftiger Schließungen aufwirft und die Unsicherheit in der Region verstärkt.
Die Produktion des Dekorpapiers, das für Möbel und Innenausstattungen verwendet wird, soll auf andere Standorte verlagert werden. Dabei wird den Mitarbeitern die Möglichkeit angeboten, an anderen Standorten, insbesondere in den Schwarzwald oder ins Allgäu, weiterzuarbeiten. Diese Umziehmöglichkeit wird jedoch als Hürde betrachtet, da viele Mitarbeiter mit den damit verbundenen Pendel- oder Umzugskosten konfrontiert sind.
Historischer Kontext der Wirtschaft Ostdeutschlands
Die Schließung in Penig reiht sich in die lange Liste wirtschaftlicher Herausforderungen ein, die Ostdeutschland seit der Wiedervereinigung plagen. Die Transformation von der Plan- zur Marktwirtschaft war begleitet von illusorischen Hoffnungen auf eine schnelle Sanierung der ostdeutschen Wirtschaft. Diese Erwartungen haben sich bislang nicht erfüllt. Historiker und Ökonomen vergleichen den wirtschaftlichen Einbruch mit der Situation in Bosnien und Herzegowina in den 1990er Jahren.
Nicht nur die Struktur der Industrie hat sich stark verändert, auch die Beschäftigungsfortschritte sind enttäuschend. Zwei Jahre nach der Wende lag die Industrieproduktion in Ostdeutschland 73 % unter dem Niveau von 1989, und etwa 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung der DDR verloren zwischen 1990 und 1995 ihren Arbeitsplatz. Die Anstrengungen zur Unterstützung der ostdeutschen Wirtschaft erforderten massive Finanzmittel des Bundes und der alten Bundesländer.
In diesem Sinne bleibt abzuwarten, ob künftig die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um die wirtschaftliche Situation in Ostdeutschland zu stabilisieren und zu verbessern, oder ob weitere Traditionsbetriebe wie die Papierfabrik in Penig der Schließung zum Opfer fallen.