
Die Debatte über die Nutzung sozialer Medien im Hochschulsektor hat sich in den letzten Monaten intensiviert. Die Universität Hohenheim hat jüngst bekannt gegeben, dass sie ihre Kommunikation auf der Plattform X (ehemals Twitter) Mitte Januar 2025 eingestellt hat. Damit schließt sich die Universität einer wachsenden Zahl von rund 120 Hochschulen und Forschungsinstituten an, die sich dem sogenannten „WissXit“ angeschlossen haben. Diese Initiative wurde durch einen öffentlichen Appell ins Leben gerufen, um Werte wie Vielfalt, Freiheit und wissenschaftliche Integrität zu fördern, die in der gegenwärtigen Medienlandschaft gefährdet erscheinen. Wissenschaftsorganisationen betonen, dass X nicht mehr den Anforderungen an sachliche und respektvolle Kommunikation genügt und dass die Institutionen ihre Zeit und Energie effektiver in anderen sozialen Netzwerken einsetzen möchten. Bedeutende Einrichtungen wie die Alexander von Humboldt-Stiftung, der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und der Wissenschaftsrat haben ebenfalls ihren Rückzug vollzogen, was die Situation noch verstärkt.
In den letzten Monaten haben über 60 deutsche Hochschulen und akademische Einrichtungen die Plattform X verlassen. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Die Institutionen sehen eine zunehmende Radikalisierung und Hassrede auf der Plattform sowie die algorithmische Verzerrung von rechtspopulistischen Inhalten als bedrohliche Entwicklungen für ihre Grundwerte wie Weltoffenheit und wissenschaftliche Integrität an. Kritiker heben hervor, dass die Übernahme von X durch Elon Musk zur Verstärkung extremistischer Inhalte geführt hat. Ein Beispiel dafür ist ein Gespräch zwischen Musk und der AfD-Chefin Alice Weidel, in dem Falschbehauptungen zur Migration und zum Nationalsozialismus aufgestellt wurden. Diese Rückzüge sind nicht nur Ausdruck einer kritischen Haltung gegenüber den Bedingungen auf X, sondern auch ein Zeichen für eine offene und konstruktive Diskussionskultur.
Wachsender Einfluss von Alternativen
Im Zuge dieser Entwicklung planen Hochschulen den Wechsel zu alternativen Plattformen wie Mastodon, BlueSky und auch zu eigenen Kommunikationsmitteln wie Newslettern und Websites. Diese alternativen Plattformen bieten eine dezentrale Struktur und versprechen bessere Datenschutzstandards. Die Heinrich Heine Universität Düsseldorf ist eine der treibenden Kräfte hinter dieser Bewegung und hat die Initiative „#WissXit“ ins Leben gerufen. Diese Entscheidung der Hochschulen könnte langfristig dazu führen, authentischere Zielgruppen zu erreichen und digitale Kommunikationskompetenzen weiter auszubauen.
Die Implikationen dieses Rückzugs von X sind weitreichend. Universitäten müssen neue Kommunikationswege finden, um mit Studierenden und Forschern in Kontakt zu treten. Ein zunehmendes Bewusstsein für die Rolle sozialer Medien in der akademischen Kommunikation entsteht derzeit nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern könnte auch eine Vorreiterrolle für andere europäische Institutionen darstellen. Zudem plant die EU-Kommission, in naher Zukunft striktere Regeln gegen Desinformation und Radikalisierung im Netz einzuführen.
Akademische Integrität im Fokus
Zu den beteiligten Hochschulen gehören namhafte Institutionen wie die Freie Universität Berlin, die Humboldt Universität Berlin, die Goethe-Universität Frankfurt und die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen. Insgesamt beträgt die Anzahl der Hochschulen in Deutschland 428, wovon mehr als 60 bereits die Plattform X verlassen haben. Die Rückzüge beziehen sich ausschließlich auf die Accounts dieser Institutionen auf X und nicht auf andere Social-Media-Kanäle. Die Heinrich Heine Universität hat angekündigt, ihre Nachrichten über die Plattform BlueSky zu verbreiten.
Für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Leibniz-Gemeinschaft ist der Austritt von X ein klares Zeichen gegen die Dominanz von Fake News. DFG-Präsidentin Katja Becker stellt heraus, dass die Bedingungen nach der Übernahme durch Musk eine klare Abkehr erforderlich machen. Die DFG wird vermehrt über LinkedIn und BlueSky kommunizieren, während die Leibniz-Gemeinschaft betont, dass X die demokratischen Werte nicht mehr angemessen würdigt.
Die anhaltende Debatte über die Nutzung von Plattformen wie X zeigt, dass die akademische Gemeinschaft bereit ist, ihre Kommunikationsstrategien zu überdenken, um die Essenz wissenschaftlicher Integrität und offener Diskussionskultur zu bewahren. Hochschulen und Forschungsinstitute setzen damit ein starkes Zeichen für eine faktenbasierte und respektvolle Kommunikation in der digitalen Welt.