
Am 11. April 2025 geht eine Ära zu Ende: Martin Schläpfer, der Ballettdirektor der Wiener Staatsoper, verabschiedet sich nach fünf Jahren mit einer bemerkenswerten Aufführung von Tschaikowskys 6. Sinfonie, bekannt als „Pathétique“. Schläpfer, ein renommierter Schweizer Choreograf, hat das Wiener Staatsballett geprägt und musste sich in seiner Amtszeit mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie auseinandersetzen, die das Ensemble stark traf.
Schläpfer hat in seiner Karriere über 80 Choreografien geschaffen und war zuvor in Städten wie Basel, Bern, Mainz und Düsseldorf tätig. Für seine eigenwilligen und oft abstrakten choreografischen Ansätze erhielt er sowohl Anerkennung als auch Kritik. Sein Ziel war es, das Repertoire des Staatsballetts mit modernen Choreografien und zeitgenössischen Komponisten zu bereichern.
Ein bleibender Einfluss
Ein besonders bemerkenswerter Aspekt seiner Zeit in Wien war der Umgang mit der Ballettschule, die zuvor von einem MeToo-Skandal betroffen war. Schläpfer brachte frischen Wind in diese Institution und setzte sich aktiv für die Weiterentwicklung ein. Während seiner letzten Aufführung kombinierte er verschiedene Stücke, darunter „Divertimento Nr. 15“ von Balanchine und „Summerspace“ von Cunningham. Seine neu choreografierte Arbeit zu Tschaikowskys „Pathétique“ beleuchtete emotionale Höhen und Tiefen und hinterließ einen bleibenden Eindruck beim Publikum.
Mit Alessandra Ferri, die 2025/26 die Direktion übernehmen wird, steht ein Wechsel an, der eine Rückkehr zu traditionelleren Ansätzen mit sich bringen könnte. Ferri fokussiert sich weniger auf eigene Kreationen, was Schläpfers innovative Herangehensweise in den Schatten stellen könnte. Schläpfer hat bereits angekündigt, sich nach seiner Zeit in Wien eine kreative Pause zu gönnen und möglicherweise in der Lehre tätig zu werden.
Der kreative Prozess im Tanz
In einem Interview äußerte Schläpfer seine Ansichten über den kreativen Prozess im Tanz. Er betonte, dass für die Schaffung neuer Werke Mut erforderlich ist und dass die tänzerische Imaginationskraft leidet, wenn lediglich bestehende Werke nachgetanzt werden. Dies ist ein zentrales Element für die Relevanz der darstellenden Künste in der Gesellschaft. Historisch bedeutende Choreografen wie George Balanchine und Merce Cunningham haben diese Herausforderung stets angenommen, was Schläpfer in seinem eigenen Schaffen nachfolgt.
Um den Ensembles ein unverwechselbares Profil zu geben, setzt Schläpfer auf Werke von Größen wie Kurt Jooss und Martha Graham. Er ist der Überzeugung, dass der Spielplan als Netzwerk von Beziehungen für Interessierte fungieren sollte, um Freude und emotionale Erlebnisse zu vermitteln. Dies steht in Einklang mit der Notwendigkeit, dass Ballettcompagnien sich mit neuen Kreationen beschäftigen, um im internationalen Repertoire relevant zu bleiben.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der kulturellen Bildung äußert sich in der aktuellen Forschung von Gitta Barthel, einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin an der Universität Hamburg, die tanzwissenschaftliche und kulturelle Entwicklungen beobachtet. Ihre Forschungen zielen darauf ab, qualitative Kriterien für die Tanzkunst zu identifizieren und die Wichtigkeit von Bündnissen zwischen freischaffender Tanzkunst und institutionellen Partnern zu beleuchten. Dies könnte sowohl die Kontinuität als auch die Resilienz der Projekte fördern, die in den letzten Jahren besonders durch die Pandemie gefordert wurden.
Insgesamt markiert Schläpfers Abschied von der Wiener Staatsoper nicht nur das Ende seiner persönlichen Reise hier, sondern auch eine entscheidende Wende für das Wiener Staatsballett. Es bleibt abzuwarten, wie seine Nachfolgerin das Erbe seines kreativen Schaffens weiterführen wird.