
Nordrhein-Westfalen (NRW) strebt eine verstärkte wirtschaftliche Annäherung an die arabische Region an. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) begann am Dienstag eine viertägige Reise nach Katar und in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), begleitet von einer Delegation, die über ein Dutzend Vorstandschefs und Vorstandsmitglieder namhafter Unternehmen umfasst, darunter RWE, Uniper, Thyssenkrupp, DHL und Covestro. Zu den Delegierten zählen auch der Duisburger Hafen sowie die Düsseldorfer Messe.
Mit dem Besuch in der Golfregion verfolgt Wüst das Ziel, Gespräche über Geschäfte, Investitionen und politische Kooperationen zu führen, insbesondere in den Bereichen Energie und Künstliche Intelligenz (KI). Dieser Besuch ist bemerkenswert, da es sich um die erste offizielle Reise eines nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten nach Katar handelt. Zuvor fand der letzte Besuch eines NRW-Regierungschefs in den VAE im Jahr 2009 statt.
Investitionen und wirtschaftliche Chancen
Die arabischen Staaten sind bereits bedeutende Investoren in NRW. Ein Beispiel ist der katarische Staatsfonds, der 9,1 % an RWE hält. Des Weiteren plant der Ölkonzern Adnoc die Übernahme von Covestro. Katar investiert engagiert in Wasserstofftechnologien, wobei eine Tochtergesellschaft von Thyssenkrupp eine Ammoniak-Produktionsanlage in Katar errichtet, die für 2024 eingeplant ist. Duisburg soll sich durch diese Entwicklungen als zentrale Import- und Distributionsdrehscheibe für Grünen Ammoniak in Europa etablieren.
Der Duisburger Hafen befindet sich in aktivem Austausch mit Unternehmen aus den VAE über Lösungen zur Wasserstoff- und Ammoniak-Infrastruktur. Zudem plant die Düsseldorfer Messe, im Jahr 2026 Messen in Dubai durchzuführen und hat bereits eine Messe in Riad für Mai 2024 angekündigt.
Wirtschaftswachstum und Exporte
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Golfstaaten zeigen vielversprechendes Wachstum. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der VAE wird für 2023 auf 569 Milliarden Dollar geschätzt, während es im Jahr 2015 noch bei 370 Milliarden Dollar lag. Für 2029 wird ein Anstieg auf 713 Milliarden Dollar prognostiziert. Auch Katar zeigt ähnliche Entwicklungen; das BIP wird für 2023 auf 226 Milliarden Dollar geschätzt, ansteigend von 162 Milliarden Dollar im Jahr 2015.
Für NRW spiegelt sich dieser Trend in den Exportzahlen wider: 2024 wurden Waren im Wert von 1,1 Milliarden Euro in die VAE exportiert, was einer Steigerung von 41 % im Vergleich zu vor einem Jahrzehnt entspricht. Im Kontrast dazu lagen die Exporte nach Katar lediglich bei 11,9 Millionen Euro. Wilo, ein Dortmunder Pumpenhersteller, hat jüngst die Kapazitäten seines Produktionsstandorts in Dubai verdoppelt, was die wachsende Bedeutung der Region unterstreicht.
Neue Partnerschaften und Herausforderungen
Die geopolitische Landschaft des Nahen Ostens verändert sich durch neue Partnerschaften, beispielsweise das Abraham-Abkommen zwischen Israel und mehreren arabischen Staaten, die die wirtschaftliche Zusammenarbeit fördern und den Handel beschleunigen. Diese dynamischen Entwicklungen erfordern von Europa, insbesondere Deutschland, eine Neuausrichtung ihrer Strategien für die arabische Welt.
Arabische Länder setzen auf Wirtschaftsreformen und Diversifizierung; alte Modelle des Engagements sind nicht mehr tragfähig. Stattdessen besteht die Möglichkeit, in Bereichen wie erneuerbare Energien, Technologie und Infrastruktur neue Allianzen zu bilden. In der Zukunft könnte Europa durch seine technologischen Exzellenzen und Innovationskraft maßgeblich zu diesen Entwicklungen beitragen.
Ein proaktiver, zukunftsorientierter Ansatz ist für die wirtschaftliche Stabilität und Entwicklung in der Region unerlässlich. Deutschland und die europäische Gemeinschaft sollten ihre Stärken in den Bereichen erneuerbare Energien und Technologie mit den Bedürfnissen der arabischen Welt in Einklang bringen und die jugendliche Bevölkerungsentwicklung als Chance wahrnehmen.
In Anbetracht dieser Faktoren wird die Reise von Hendrik Wüst als strategischer Schritt gewertet, um NRW und die arabische Region wirtschaftlich enger zusammenzubringen und neue Impulse für zukünftige Kooperationen zu setzen. Weitere Informationen hierzu bietet FAZ und Ghorfa.