
Die Arbeitsbedingungen in der deutschen Fleischindustrie stehen seit geraumer Zeit im Fokus öffentlicher Diskussionen. Die Verabschiedung des Arbeitsschutzkontrollgesetzes Anfang 2021 hat wesentliche Änderungen in diesem Sektor mit sich gebracht. Insbesondere wurde das Verbot von Werkverträgen für die Fleischproduktion durchgesetzt, was zu einer Übernahme fast aller ehemals bei Subunternehmen angestellten Werkvertragsbeschäftigten durch die Fleischunternehmen führte. Dies berichtet die Hans-Böckler-Stiftung, die die Auswirkungen dieser Reform in einer aktuellen Studie analysiert hat.
Die Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) beleuchtet die Fortschritte, die hinsichtlich der Arbeits- und Lebensbedingungen für osteuropäische Arbeitsmigrant*innen erzielt wurden. So stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Branche um 18 Prozent von 128.400 im Jahr 2020 auf 151.500 im Jahr 2021. Trotzdem bleibt der Anteil an befristeten Arbeitsverträgen hoch. Dieser stieg im gleichen Zeitraum von 42,7 Prozent auf 56,8 Prozent.
Verbesserungen und Herausforderungen
Die Verantwortung für die Arbeitsbedingungen liegt nun zunehmend bei den Fleischunternehmen, die gesetzliche Standards einhalten müssen. Betriebsräte haben durch die größeren Belegschaften mehr Ressourcen zur Überwachung der Arbeitsverhältnisse erhalten. Eine verpflichtende elektronische Arbeitszeiterfassung wurde eingeführt, um überlange Arbeitszeiten und unbezahlte Mehrarbeit zu reduzieren.
Dennoch sind die Herausforderungen nicht zu übersehen. Trotz der positiven Entwicklungen geben die Daten zu den Niedriglöhnen Anlass zur Besorgnis. Im Jahr 2022 erhielten 46,5 Prozent der Vollzeitbeschäftigten in der Fleischindustrie einen Niedriglohn, bei ausländischen Beschäftigten lag der Anteil sogar bei 55,1 Prozent. Dies verdeutlicht, dass der Niedriglohnsektor nach wie vor einen hohen Anteil ausmacht, auch wenn ein Rückgang im Vergleich zu den Vorjahren festzustellen ist.
Kritik an Lebensbedingungen
Ein zusätzliches Augenmerk verdient die gesundheitliche Situation der Arbeiter, insbesondere in der Region um das Tönnies-Werk in Rheda-Wiedenbrück. Hier wurden über 1.500 Corona-Infektionen unter den Mitarbeitern registriert, was die NRW-Landesregierung dazu veranlasst hat, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen. Schulen und Kindergärten in der Umgebung wurden bereits geschlossen, um eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. Örtliche Pfarrer wie Peter Kossen haben die miserablen Wohn- und Arbeitsbedingungen der Leiharbeiter aus Polen, Rumänien und Bulgarien scharf kritisiert, die oft in Sammelunterkünften leben müssen.
Kossen zeigt sich skeptisch gegenüber dem Reformwillen der Fleischindustrie und betont, dass Arbeitsmigranten oft in einer Parallelwelt leben, ihre Integration in die Gesellschaft jedoch fehlt. Dies führt dazu, dass viele von ihnen Angst vor Ansteckung und Arbeitslosigkeit haben, insbesondere in Zeiten von Pandemie-Ausbrüchen.
Ein weiteres großes Problem stellt die geringe Tarifbindung in der Branche dar. Viele Unternehmen sind tariflos, was die Verhandlungen über einen neuen Branchenmindestlohn zusätzlich erschwert. Frühere Verhandlungen über einen Manteltarifvertrag wurden abgebrochen, und die Unsicherheit über die zukünftige Entlohnung bleibt bestehen.
Die Gewerkschaft NGG hat zudem ermittelt, dass ein fairer Mindestlohn für alle Beschäftigten in der Wertschöpfungskette nur geringfügige Preissteigerungen für konventionell produziertes Fleisch zur Folge hätte. Kossen plädiert für einen anderen Blick auf die Mitarbeiter in der Fleischindustrie und ist überzeugt, dass eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen ohne signifikante Preiserhöhungen möglich ist.
Insgesamt zeigt die aktuelle Situation in der Fleischindustrie ein gemischtes Bild: Verbesserungen sind erzielt worden, doch bleibt die Mühe, echte Fortschritte zu erreichen, eine große Herausforderung. Die Anstrengungen, die Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern, sind essenziell, um die Rechte und die Sicherheit der Arbeiter zu gewährleisten.
Für weitere Informationen können Sie die Berichte von der Hans-Böckler-Stiftung hier und vom Deutschlandfunk hier einsehen.