
In Serbien setzen sich die Proteste gegen die Regierung von Präsident Aleksandar Vucic unvermindert fort. Am 12. April 2025 organisierte Vucic eine Großveranstaltung in der Innenstadt von Belgrad, die für die Gründung seiner „Bewegung für das Volk und den Staat“ dienen sollte. Die gesamte Innenstadt war dafür abgesperrt, etwa ein Kilometer lang, während Stände unter weißen Zeltdächern und drei Bühnen in Position gebracht wurden. Vucic rief über die Medien und sozialen Netzwerke zur Teilnahme an der Kundgebung auf und erklärte, dass die Serben ihren Staat nicht aufgeben würden. Auf dem Gelände hingen Plakate mit der Aussage „Ne damo Srbiju“ (Wir geben Serbien nicht her) und eine Anhängerin äußerte den Wunsch nach Einigkeit und Frieden für das Land. Trotz dieser positive Stimmung stellte ein Passant jedoch infragestellte, ob die Teilnehmer tatsächlich freiwillig erschienen seien, und bezeichnete die Veranstaltung als Farce.
Der Protest in Belgrad findet in einem Kontext statt, der von tiefen gesellschaftlichen Spannungen geprägt ist. Seit dem katastrophalen Einsturz des Vordachs des Bahnhofs von Novi Sad im November 2024, bei dem 15 Menschen ums Leben kamen, sind erhebliche Missstände und das Versagen des Staates in der öffentlichen Wahrnehmung immer deutlicher geworden. Bei dieser Tragödie waren die Bürger in Protestlaune geraten, was zu dem größten politischen Protest in der Geschichte Serbiens führte, an dem hunderttausende Menschen teilnahmen. Gerüchte über eine von ausländischen Mächten gelenkte „Farbenrevolution“ verbreitete Vucic, während die Protestierenden vehement für Veränderungen einstanden.
Mobilisierung der Jugend
Zusätzlich zu den Protesten in Belgrad fand in Novi Pazar, 270 Kilometer südlich, eine weitere Studenten-Demonstration statt. Tausende von Studenten und Bürgern reisten mit Fahrrädern, Motorrädern und zu Fuß an, um gegen Vucic und seine Politik zu demonstrieren. Die Studenten und Schüler hatten einen akademischen Generalstreik ausgerufen, viele Fakultäten und Schulen waren besetzt. Die Polizei schätzte die Zahl der Demonstranten während der jüngsten Proteste auf 107.000, während unabhängige Schätzungen von bis zu 325.000 sprachen. Diese Mobilisierung zeigt, dass die Unzufriedenheit in der Bevölkerung weit verbreitet ist und sich über verschiedene Altersgruppen und soziale Schichten erstreckt.
Die Situation eskalierte während der Proteste vor einigen Monaten, als es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kam. Vorfälle mit Pfefferspray und Steinen führten zu zunehmenden Spannungen zwischen Demonstranten und Polizei, während die Regierung den Einsatz von Schallkanonen bestritt. Die Bürgergruppe „Archiv öffentlicher Versammlungen“ bezeichnete die Demonstration als das größte Treffen in der Geschichte Belgrads und trotz der gewaltsamen Vorfälle zeugt die anhaltende Protestwelle von der Entschlossenheit der Bürger.
Ansprüche auf politische Veränderung
Die Protestierenden fordern nicht nur ein Ende der Korruption, sondern auch den Rücktritt von Präsident Vucic sowie von Regierungsministern. Auch die staatlich kontrollierten Medien stehen unter Beschuss: Oppositionsparteien verlangen den Entzug ihrer Sendelizenzen. In einer Fernsehansprache drohte Vucic den Protestierenden mit Rache und Strafverfolgung, was die Spannungen zusätzlich verschärfte. Er hatte zuvor behauptet, dass alle Forderungen, die von Studenten geäußert wurden, bereits erfüllt seien, was die Sprecher der Studenten vehement bestritten.
Die aktuelle Debatte über die politische Landschaft Serbiens spiegelt sich auch in der Reaktion der Regierung auf gewaltsame Schusswaffenangriffe im Mai 2023 wider, bei denen 17 Menschen umkamen. Diese Vorfälle hatten zu einer Welle des Protests geführt, bei der Tausende von Menschen in Belgrad und Novi Sad gegen die Gewalt und die Missstände unter Vucic demonstriert hatten. Der Präsident reagierte darauf mit einer „Entwaffnungskampagne“, die von vielen als unzureichend und zu spät kritisiert wurde. In der Bevölkerung macht sich eine tiefe Frustration breit, während zahlreiche Serben aufgrund von Korruption und einer hoffnungslosen wirtschaftlichen Perspektive emigrieren.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Lage in Serbien weiter entwickeln wird. Doch die anhaltenden Proteste und die klare Ansprache der Bürger zeigen, dass der Ruf nach Veränderung in der serbischen Gesellschaft unüberhörbar ist. Die aktuelle Mobilisierung ist offensichtlich nicht nur eine Reaktion auf die Missstände, sondern auch ein starkes Signal für die politische Klasse des Landes.