
Die Diskussion um die finanziellen Folgen von Krankheit am Arbeitsplatz hat durch die Äußerungen von Allianz-Chef Oliver Bäte neue Dynamik gewonnen. Bäte hat einen Vorschlag zur Streichung des Lohns am ersten Krankheitstag unterbreitet, um Arbeitgeber zu entlasten. Dies könnte, seiner Meinung nach, ohnehin jährlich bis zu 40 Milliarden Euro einsparen. Kritiker, darunter Michaela Engelmeier, Vorsitzende des Sozialverbands SoVD, haben den Vorschlag als „echte Unverschämtheit“ bezeichnet und warnen vor negativen Konsequenzen für die Werkstätigen.
In Deutschland erhalten krankgeschriebene Arbeitnehmer derzeit ab dem ersten Tag weiterhin ihr Gehalt, was gesetzlich vorgeschrieben ist. Diese Regelung sorgt dafür, dass die Lohnfortzahlung auch in den ersten sechs Krankheitswochen gesichert ist. Laut dem Statistischen Bundesamt waren Arbeitnehmer im Jahr 2023 im Durchschnitt 15,1 Arbeitstage krankgemeldet. Dies steht im Kontrast zum europäischen Durchschnitt von acht Tagen.
Die Auswirkungen eines Karenztags
Bäte bezieht sich auf historische Praktiken, als der Karenztag bis in die 1970er Jahre in Deutschland weit verbreitet war. Kritiker des Vorschlags argumentieren, dass ein solches Modell Arbeitnehmer dazu drängen könnte, krank zur Arbeit zu erscheinen, was zu einer erhöhten Verbreitung von Krankheiten und einem allgemeinen Rückgang der Arbeitsqualität führen könnte. Engelmeier mahnt, dass insbesondere Geringverdiener von einem einzelnen Tag Lohnverlust stark betroffen wären, da sie oft finanziell nicht in der Lage sind, einen Tag ohne Einkommen zu überstehen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat den Vorschlag scharf kritisiert und ihn als „zutiefst ungerecht“ bezeichnet. Dies wird besonders unter dem Gesichtspunkt des sogenannten „Präsentismus“ gesehen, wo Mitarbeiter trotz Krankheit zur Arbeit erscheinen. Dieser Trend könnte durch eine Streichung des Lohns am ersten Krankheitstag weiter zunehmen, warnen Gewerkschafter.
Reaktionen der Politik und Unternehmen
Politische Reaktionen auf Bätes Vorschlag sind gespalten. Während Unions-Fraktionsvize Sepp Müller (CDU) offener für eine Diskussion über die Idee ist, lehnen viele andere Politiker den Vorschlag als inakzeptabel ab. Auch Unternehmensvertreter äußern sich unterschiedlich. So hat Ola Källenius, CEO von Mercedes, betont, dass der hohe Krankenstand ein ernsthaftes Problem für Unternehmen darstelle. Im Gegensatz dazu lehnt Tobias Stüber, Geschäftsführer von Flibco, die Einführung von unbezahlten Krankheitstagen ab und fordert stattdessen bessere Unternehmenspolitiken.
Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist im deutschen Arbeitsrecht ein zentraler Bestandteil der Arbeitnehmerrechte. Sie sichert die finanzielle Stabilität während Krankheitsphasen. Arbeitnehmer müssen ihren Arbeitgeber umgehend über die Krankheit informieren und spätestens am vierten Tag eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, um weiterhin Anspruch auf die Lohnfortzahlung zu haben. Nach sechs Wochen können darüber hinaus gesetzliche Krankenkassen Krankengeld zahlen.
Das Thema bleibt kontrovers und die Debatte um eine mögliche Änderung der gesetzlichen Regelungen wird die Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Deutschland weiterhin beschäftigen. Die Frage, ob Bätes Vorschlag realisierbar ist und welche Auswirkungen er auf die soziale Sicherheit hätte, wird von vielen Seiten kritisch beleuchtet.