
Die sicherheitspolitische Lage in Europa hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert, insbesondere durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Dies hat die Diskussion um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und die Rolle der Bundeswehr neu entfacht. Laut einer Umfrage, die zwischen dem 19. und 26. Februar 2024 unter 19.641 Teilnehmern durchgeführt wurde, sehen die meisten Befragten die Bundeswehr als nicht in der Lage an, Deutschland effektiv gegen einen Angriff zu schützen. Fast 90 Prozent glauben, dass die Truppen nicht ausreichend aufgestellt sind, um die nationale Sicherheit zu garantieren, was die Rufe nach der Wiedereinführung der Wehrpflicht verstärkt, die 2011 ausgesetzt wurde. Bei dieser Entscheidung könnte sich eine Korrektur als notwendig erweisen, angesichts der veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen, so InsideBW.
Eine aktuelle Umfrage der Forsa zeigt, dass nur 17 Prozent der Bevölkerung bereit sind, die Waffe zur Verteidigung Deutschlands zu ergreifen, während 60 Prozent diese Form der Verteidigung ablehnen. Die Wehrbeauftragte Eva Högl bestätigte im Jahresbericht, dass die Anzahl der Soldaten in Deutschland mit derzeit rund 181.000 deutlich zu niedrig ist, um die angestrebte Zielmarke von 203.000 bis 2031 zu erreichen. In Anbetracht dieser Tatsachen fordern immer mehr Menschen die Rückkehr zur Wehrpflicht, wobei laut einer NDR Umfrage 66 Prozent der Befragten für deren Wiedereinführung plädieren.
Meinungen zu Wehrpflicht und Freiwilligkeit
Besonders ältere Bürger stehen der Wiedereinführung der Wehrpflicht positiv gegenüber, während die Skepsis unter den Jüngeren (unter 30 Jahren) mit 39-45 Prozent großer ist. Dazu äußert sich die Linken-Politikerin Sahra Mirow, die betont, dass die Stimmen dieser Skeptiker Gehör finden sollten. Oberst der Reserve Joachim Fallert kritisiert das Prinzip der Freiwilligkeit in der Bundeswehr und sieht hierin eine Schwäche. Diese Auffassungen stehen im Gegensatz zu jenen, die eine moderne Armee mit hochqualifizierten Spezialisten als notwendig erachten, was gegen die Idee der Wehrpflicht spricht.
Die diskutierten Argumente für eine Rückkehr zur Wehrpflicht umfassen nicht nur eine gesteigerte Verteidigungsbereitschaft, sondern auch persönliche Erfahrungen für junge Menschen. Zudem zeigt eine Umfrage, dass 73 Prozent der Befragten eine Wehrpflicht für alle Geschlechter befürworten. Lobend entwickelt sich die Vorstellung des „Staatsbürgers in Uniform“, der die Verbindung zwischen zivilen und militärischen Tätigkeiten stärkt.
Politische Positionen und Alternativen
Die politische Landschaft ist angesichts dieser Thematik gespalten. Während die Union und insbesondere die CSU schnellere Maßnahmen zur Wiedereinführung der Wehrpflicht fordert, warnt die FDP vor einem Eingriff in die persönliche Freiheit. Kämpferische Stimmen von Militärexperten wie Agnieszka Brugger von den Grünen unterstreichen die Balance zwischen Freiheit und Sicherheitsbedürfnissen. Innenminister Thomas Strobl (CDU) schlägt in diesem Kontext ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für Männer und Frauen vor, welches auch im Rahmen der Bundeswehr absolviert werden kann.
Die Wehrpflicht wurde 1956 eingeführt und galt bis zu ihrer Aussetzung für Männer ab 18 Jahren. Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts und einer Verschiebung der sicherheitspolitischen Anforderungen musste diese Maßnahme jedoch kritisch hinterfragt werden. Befürworter glauben an eine Stärkung der Bundeswehr und des gesellschaftlichen Bewusstseins für Landesverteidigung.
Während einige europäische Länder, wie Schweden und Litauen, die Wehrpflicht wieder eingeführt haben, geht Deutschland andere Wege. Die Debatte zeigt, dass tiefgreifende gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen berücksichtigt werden müssen, während der Bedarf an gut ausgestatteten und ausgebildeten Soldaten dringend bleibt.