
Ägypten hat einen umfassenden Wiederaufbauplan für den Gazastreifen entwickelt, der nun sowohl der Europäischen Union als auch den Vereinigten Staaten vorgelegt werden soll. Das Dokument, das etwa 90 Seiten umfasst, zielt darauf ab, internationale Unterstützung zu gewinnen und die schwer geschädigte Region innerhalb von fünf Jahren wiederaufzubauen. Die geplanten Maßnahmen beinhalten die Beseitigung von Trümmern, den Bau von vorübergehenden und dauerhaften Unterkünften sowie die Wiederherstellung von wichtiger Infrastruktur wie Straßen, Wasser- und Stromversorgung.
Der Wiederaufbau wird auf etwa 50 Milliarden Euro geschätzt, und die UNO erwartet, dass 69 % der Gebäude im Gazastreifen entweder beschädigt oder zerstört wurden. Diese Schätzungen wecken die Sorge um die realistische Umsetzung des Plans, insbesondere vor dem Hintergrund der anhaltenden politischen Spannungen im gesamten Nahen Osten. Seit dem 7. Oktober 2023 hat die Hamas erheblich zu den Konflikten beigetragen, indem sie mehr als 250 israelische Geiseln nahm, was die Situation weiter komplizierte.
Politische Dimension des Wiederaufbauplans
Ein zentrales Element des ägyptischen Plans sieht vor, dass ein Gremium aus Technokraten während einer sechsmonatigen Übergangsphase die Kontrolle über Gaza übernehmen soll. Ziel ist es, diese Kontrolle später an die Palästinensische Autonomiebehörde unter Präsident Mahmud Abbas zu übergeben. Allerdings lehnt Abbas‘ Fatah eine Zusammenarbeit mit der Hamas ab, die seit 2007 über Gaza herrscht, während Israel eine Regierungsbeteiligung der Hamas komplett verweigert. Diese politische Verstrickung erschwert die Chancen auf einen konsistenten Wiederaufbau.
Der ägyptische Plan sieht zudem vor, dass bis 2030 etwa 400.000 neue Wohnungen für die steigende Bevölkerung im Gazastreifen, die derzeit etwa zwei Millionen beträgt, geschaffen werden. Darüber hinaus sollen ein Flughafen, ein Seehafen sowie Industrie- und Hotelanlagen gebaut werden. Teilnehmer des jüngsten Gipfels in Kairo haben den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, Friedenstruppen in Gaza und das Westjordanland zu entsenden, was die internationale Dimension des Konflikts weiter hervorhebt.
Hürden für den Wiederaufbau
Die Lage bleibt jedoch angespannt. Israel hat angedeutet, dass es zur zweiten Phase einer Waffenruhe übergehen könnte, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass alle Geiseln freigelassen werden und der Gazastreifen entmilitarisiert wird. Dieses Ziel wird von der Hamas vehement abgelehnt; die Gruppe betrachtet die Entmilitarisierung als „rote Linie“. Seit Sonntag ist eine Waffenruhe in Kraft, deren Dauer jedoch ungewiss bleibt.
Der Wiederaufbau wird vor einer enormen Herausforderung stehen, da mehr als 50 Millionen Tonnen Schutt, der auch menschliche Überreste und Munitionsblindgänger enthalten kann, beseitigt werden müssen. Experten schätzen, dass die Beseitigung des Schutts mit 100 Lastwagen in Vollzeit über 15 Jahre in Anspruch nehmen würde. Darüber hinaus ist die Frage der zukünftigen Kontrolle über den Gazastreifen ungeklärt. Die internationale Gemeinschaft hofft auf die Wiederbelebung der Palästinensischen Autonomiebehörde, um eine stabilere Regierungsführung zu ermöglichen, während Israel weiterhin an der Blockade von Gaza festhält.
Mit der Gefahr, dass Zeltlager zu einem festen Bestandteil des Lebens im Gazastreifen werden könnten, bleibt das gesamte Vorhaben von Ungewissheiten geprägt. Der ägyptische Vorschlag könnte eine Alternative zu früheren Plänen darstellen, die eine Umsiedlung von Palästinensern vorsahen. Ägyptens Präsident Fattah al-Sissi hat Vertrauen in die Verhandlungen mit internationalen Partnern formuliert, während der UN-Generalsekretär António Guterres die ägyptischen Vorschläge unterstützt.
Die weltweite Aufmerksamkeit bleibt auf dem Wiederaufbau des Gazastreifens gerichtet, wobei die Hoffnung besteht, dass eine langfristige Lösung in Sicht ist. Dennoch bleibt abzuwarten, wie sich die politische und sicherheitstechnische Lage weiter entwickeln wird.