
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat in seiner aktuellen Karfreitagsbotschaft eindringlich vor den Gefahren gewarnt, die mit dem schwindenden Einfluss des christlichen Glaubens in der Gesellschaft einhergehen. Er hebt hervor, dass der Glaube an Gott einen festen Platz im kulturellen und sozialen Leben der Menschen behalten muss. In einer Zeit, in der viele Menschen Gott als überflüssig betrachten, könnte eine gefährliche Leerstelle entstehen, die von Verschwörungstheorien, Nationalismen und Herrschaftsfantasien gefüllt wird, wie pnp.de berichtet.
Marx kritisiert die Vorstellung, dass die Gesellschaft, indem sie Gott ignoriert, in der Lage ist, ihre eigenen Probleme zu lösen. Diese Denkweise führt seiner Meinung nach nur zu einer Vertiefung der Krise, da die großen Kirchen in Deutschland seit Jahren einen Mitgliederschwund verzeichnen. Dies zeigt sich auch in Bayern: Der Anteil der Kirchenmitglieder fiel von über 70 Prozent im Jahr 2011 auf knapp über 60 Prozent im Jahr 2022, so das Landesamt für Statistik.
Kulturelle Herausforderung und die Rolle der Religion
Die Worte von Kardinal Marx reflektieren ein größeres gesellschaftliches Phänomen, das der Religionssoziologe Franz-Xaver Kaufmann analysiert hat. Kaufmann, bekannt für seinen bedeutenden Beitrag zur Religionssoziologie, betont die Notwendigkeit, religiöse Inhalte zeitgemäß zu kommunizieren. Er sieht die gesellschaftliche Realität als geprägt von gesteigerter Komplexität und kultureller Pluralität, was die Herausforderung für die Kirchen erhöht, ihre Botschaften an die heutige Zeit anzupassen. In seinen Arbeiten identifiziert er das Christentum als oft zu stark mit etablierten Kirchen verkoppelt, was die Gefahr birgt, dass es vom individualisierten Glauben entfremdet wird, wie herder.de beschreibt.
Kaufmann postuliert zudem, dass die Zukunft des Christentums zwar offen ist, jedoch entscheidend von den gegenwärtigen gesellschaftlichen Veränderungen und dem Verlust des Kontakts zur „Seele“ der Menschen abhängt. Seiner Ansicht nach wird die Bedeutung der familiären Strukturen für die christliche Sozialisation in einer sich wandelnden Welt immer wichtiger – jedoch auch immer schwieriger zu bewahren.
Die Verantwortung der Kirchen
Kardinal Marx appelliert an die Kirchen, ihre Verantwortung ernst zu nehmen und sich aktiv gegen den Verlust an Einfluss zu stemmen. Der abwesende Gott könnte, wenn er nicht im Alltag präsent bleibt, durch ideologische Leerräume ersetzt werden, die in der heutigen Zeit besonders anfällig sind für extremistische Ansichten. Ziel müsse es sein, den Glauben wieder zu einem integralen Bestandteil des gesellschaftlichen Diskurses zu machen.
Zusammenfassend verdeutlicht Marx in seiner Botschaft die aktuelle Herausforderung für den christlichen Glauben in Deutschland. Gleichzeitig liefert Kaufmann wichtige Einsichten, um diese Entwicklungen besser zu verstehen und angehen zu können. Beide Männer unterstreichen die Notwendigkeit, den Glauben für die moderne Gesellschaft relevant zu halten und aktiv nach neuen Wegen zu suchen, um Menschen in ihrer spirituellen Suche zu begleiten.