
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj äußert die Hoffnung, die Unberechenbarkeit des zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump zu seinem Vorteil nutzen zu können. „Ich halte ihn für stark und unberechenbar. Ich wünschte mir sehr, dass die Unberechenbarkeit von Präsident Trump vor allem die Seite der Russischen Föderation betrifft“, sagte Selenskyj in einem Interview, das im ukrainischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Er ist davon überzeugt, dass Trump an einem Friedensschluss interessiert ist und der russische Präsident Wladimir Putin eine Furcht vor dem neuen US-Präsidenten hat.
Selenskyj versicherte den Ukrainern erneut, dass alle von Russland seit 2014 besetzten Gebiete zurückgeholt werden. Zudem wies er eine von Moskau für einen Friedensschluss geforderte Verkleinerung der ukrainischen Armee energisch zurück. „Wir verstehen, dass er (Putin) uns mit so einer Armee von 40.000 bis 50.000 vernichtet, besetzt, dass es keine unabhängige Ukraine mehr geben wird“, betonte Selenskyj.
Aktuelle Herausforderungen an der Front
Selenskyj räumte die schwierige Lage in der Ostukraine ein und führte diese auf fehlende Reserven zurück. „Wir tun alles dafür, dass es im Januar eine Frontstabilisierung gibt“, versprach er. Die Zahl der Deserteure sei seit Oktober rückläufig. Laut Informationen sind von einer neu aufgestellten Brigade mit über 1.700 Soldaten gut ein Drittel geflohen. Im vergangenen Jahr eröffnete die ukrainische Staatsanwaltschaft nahezu 70.000 Verfahren wegen Desertion oder unerlaubtem Fernbleiben von der Truppe, was ein Vielfaches der beiden Vorjahre darstellt.
Trump ist am 20. Januar als neuer US-Präsident im Amt und damit könnte sich die Unterstützung für die Ukraine verändern. Selenskyj zeigte sich besorgt über eine mögliche Verringerung der amerikanischen Hilfen, die entscheidend für Kiews Abwehrkampf gegen die russische Invasion sind. Er appellierte an Washington, bei der Unterstützung des Landes nicht nachzulassen. „Wir sind die Ukraine und es geht um unsere Unabhängigkeit, unser Land und unsere Zukunft“, so Selenskyj in einem Interview mit dem US-Sender Fox.
Die Gedanken und Äußerungen Selenskyjs zu Trump spiegeln auch die Überlegungen wider, die in der Ukraine über die möglichen Konsequenzen von Trumps Wahl an die Spitze der USA im Hinblick auf den Krieg gegen Russland angestellt werden. „Er ist in der Lage, Putin zu stoppen oder, um es anders auszudrücken, uns zu helfen, Putin zu stoppen“, sagte Selenskyj über Trump, der angekündigt hat, den Krieg schnell beenden zu wollen. Über die Auswirkungen auf die Ukraine gibt es aber in Kiew Bedenken, dass eine für das Land ungünstige Vereinbarung getroffen werden könnte.
Insgesamt bleibt die Frage offen, welchen Kurs Trump in der Ukraine-Politik verfolgen wird. Er hat mit einem Rückzug der USA aus der NATO gedroht, sollten die Verbündeten nicht mehr Geld für die Verteidigung ausgeben, und auch eine Kürzung der Ukraine-Hilfen angekündigt.
Die Ukraine führt mit westlicher Hilfe seit fast drei Jahren einen Abwehrkampf gegen die russische Invasion. In den letzten Monaten spitzt sich die Lage an der Front immer weiter zu, während die ukrainische Armee weiterhin mit chronischem Personal- und Ausrüstungsmangel zu kämpfen hat, wie Selenskyj ausführt.
Für weitere Informationen über die Äußerungen von Selenskyj über Trump, siehe Tagesspiegel und ZDF.