
In Freiburg versammelten sich am Samstagnachmittag mehrere hundert Menschen zu einer Demonstration, um gegen die Kündigung des Domkapellmeisters Boris Böhmann zu protestieren. Laut Veranstaltern zählten sich etwa 500 Teilnehmer zu den Demonstrierenden, während die Polizei von 150 bis 200 sprach. Die Protestierenden, darunter Domsingknaben, deren Eltern und langjährige Mitglieder der Domsingschule, zogen mit Trillerpfeifen, Transparenten und Gesang vom Münster zum Erzbischöflichen Ordinariat.
Auf einem roten Banner war die Forderung „Wir wollen unseren Domkapellmeister behalten“ zu lesen. Während des Marsches wurden lautstarke Slogans wie „Wir sind laut, weil ihr uns den Böhmann klaut“ skandiert. Vor dem Wohnhaus des Erzbischofs Stephan Burger wurden Pfiffe und „Rücktritt“-Rufe laut. Die Demonstration verlief friedlich, wobei geistliche Lieder gesungen wurden, darunter „Sonne der Gerechtigkeit“ und „Nehmt Abschied, Brüder“.
Reaktionen und Rücktritte
Die Kündigung von Boris Böhmann, der über 21 Jahre im Amt war, hat eine Welle der Empörung ausgelöst. Jutta Deger, die ehemalige Vorständin des Domchores, kündigte an, aus der Kirche auszutreten. Auch Elternvertreter reagierten mit drastischen Maßnahmen und haben angedeutet, ihre Kinder nicht mehr zur Domsingschule zu schicken. Der gesamte Vorstand des Domchors trat im Streit um die Kündigung geschlossen zurück.
Die Kündigung des Domkapellmeisters kam nach einem Vorfall an Heiligabend, als Erzbischof Burger den Gottesdienst unterbrach. Böhmann, dessen Freistellung aufgrund der Proteste sofort und nicht wie ursprünglich geplant Ende Februar 2025 erfolgte, sieht sich mit einer Petition konfrontiert, die bereits rund 3.800 Unterschriften für seinen Verbleib erhalten hat. Das Erzbistum selbst äußert sich nicht zu den Gründen der Kündigung und beruft sich auf Datenschutz.
Zukunft der Protestbewegung
Cheforganisator Uli Rausch kündigte an, dass vorerst keine weiteren Aktionen geplant sind und eine Pause eingelegt wird. Er betonte die Wichtigkeit einer positiven medialen Stimmung und wollte diese nicht ausreizen. Der Protest in Freiburg spiegelt damit nicht nur den Unmut über individuelle Entscheidungen im kirchlichen Umfeld wider, sondern auch tiefere gesellschaftliche Trends und eine mögliche Glaubwürdigkeitskrise der Kirchen.
Im Kontext der Kirchenaustrittszahlen ist es bemerkenswert, dass die katholische Kirche 2022 etwa 400.000 Austritte verzeichnete, was auf eine kontinuierliche negative Entwicklung hinweist. Es besteht ein Zusammenhang zwischen diesen Austritten und Skandalen sowie negativen Schlagzeilen, die die Kirche in den letzten Jahren geprägt haben. In Anbetracht dieser Entwicklungen ist es für die Kirche von wesentlicher Bedeutung, die Gründe für die Unzufriedenheit unter den Mitgliedern besser zu verstehen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
Die Situation um Boris Böhmann und die anhaltenden Proteste könnten somit nicht nur eine lokale, sondern auch eine bundesweite Reflexion über die Beziehung der Kirchen zu ihren Mitgliedern ermöglichen. Während die Kirchenmitglieder immer weniger werden, wird die Notwendigkeit einer Erneuerung und Sensibilisierung innerhalb der Kirche zur zentralen Herausforderung.
Mehr Informationen dazu finden Sie auf SWR und Stuttgarter Zeitung.