
Österreich intensiviert aktuell seine Rüstungsanstrengungen, um auf die sich verändernde sicherheitspolitische Lage, insbesondere durch den Ukraine-Krieg und die Aggression Russlands, zu reagieren. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner hebt hervor, dass das Neutralitätsgesetz von 1955 weiterhin Bestand hat, jedoch die Notwendigkeit betont, diese Neutralität verteidigen zu können. Im Rahmen des ambitionierten Aufbauplans 2032+ werden milliardenschwere Rüstungsprojekte initiiert, an denen zahlreiche (süd-)deutsche Rüstungsunternehmen beteiligt sind. Dies zeigt sich exemplarisch in der Modernisierung der Panzerflotte, wo alle 170 Leopard 2A4-Panzer aufgerüstet werden, um ihnen verbesserten Schutz gegen Drohnen und Panzerabwehrwaffen zu bieten. Die Investitionen dafür belaufen sich auf 560 Millionen Euro, wie Merkur berichtet.
Zusätzlich wird die Panzergrenadierbrigade mit einem Panzerbataillon und zwei Panzergrenadierbataillonen strategisch gestärkt. Um die Mobilität im Ernstfall sicherzustellen, wird Österreich 225 moderne Radpanzer des Typs Pandur Evolution für 1,8 Milliarden Euro beschaffen. Zu den bereits getätigten Modernisierungen gehört auch die Überholung von 112 Schützenpanzern Ulan durch Steyr-Daimler-Puch, während die Leopard 2A4 von KNDS Deutschland aufgerüstet werden.
Fortschritte in der Luftabwehr
Ein Schwerpunkt der Aufrüstung liegt auf der Luftabwehr. 36 Pandur-Panzer sollen mit dem Skyranger-Flugabwehrsystem von Rheinmetall ausgestattet werden, mit dem Ziel, insbesondere Kamikaze-Drohnen bekämpfen zu können. Österreich plant ebenso den Beitritt zum europäischen Raketenabwehrschirm „Sky Shield“ und hat Diehl Defence mit der Herstellung von vier IRIS-T-SLS und vier IRIS-T-SLM Flugabwehrsystemen beauftragt. Diese Systeme sind in der Lage, verschiedene Luftziele zu bekämpfen und ihre Soldaten werden in Zusammenarbeit mit Deutschland ausgebildet. Die Auslieferung der IRIS-T-Systeme könnte ab 2026 eintreffen, trotz Verzögerungen bei der deutschen Bundeswehr.
Bis 2028 will Österreich zudem entscheiden, welches Luftabwehrsystem gegen ballistische Langstreckenraketen eingesetzt werden soll. Das „Patriot“-System steht hier als möglicher Kandidat zur Debatte. All diese Initiativen sind Teil eines umfassenden Plans, um die Verteidigungsfähigkeiten des Bundesheeres zu verbessern und den aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen gerecht zu werden.
Herausforderungen der Rüstungsindustrie
Trotz der intensiven Bemühungen um die Rüstungsmodernisierung bleibt ein entscheidendes Problem bestehen: das Misstrauen der österreichischen Bevölkerung gegenüber militärischen Themen. Historische Ereignisse wie der Noricum-Skandal haben das Vertrauen in die heimische Rüstungsindustrie stark beeinträchtigt. Aktuell beschäftigt die österreichische Rüstungsindustrie etwa 2.000 Mitarbeiter und umfasst 17 Unternehmen. Historisch gesehen war der Bedarf während des Kalten Krieges weitgehend durch Eigenproduktion gedeckt, doch Skandale und eine Demilitarisierung haben zu einem dramatischen Rückgang der Beschäftigtenzahlen geführt.
Die Aussicht auf die Entwicklung einer sinnvollen und tragfähigen Rüstungsstrategie wird durch die Abhängigkeit von Importen aufgrund der geringen nationalen Fertigungskapazitäten erschwert. Wie in Militär Aktuell zu lesen ist, erzielte Österreich 2022 Rüstungsexporte im Wert von 14 Millionen TIVs, wobei die wichtigsten Abnehmer in den letzten zehn Jahren Länder wie Australien, Spanien und Kuwait waren.
In einem umfassenden europäischen Kontext hat Österreich das Pesco-Abkommen unterzeichnet, welches darauf abzielt, einen „Rüstungs-Binnenmarkt“ innerhalb der EU zu etablieren. Ziel ist es, europäische Rüstungsunternehmen zu stärken und deren Investitionen in Hochtechnologie zu fördern.
In Anbetracht all dieser Faktoren wird deutlich, dass Österreichs Wehrwirtschaft bestrebt ist, sowohl national als auch international präsent zu bleiben. Die Diskussion um militärische Themen bleibt jedoch angesichts der Neutralität Österreichs und der damit verbundenen Herausforderungen ein äußerst sensibles Thema.