
Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat dem FPÖ-Chef Herbert Kickl den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt, nachdem die Regierungsverhandlungen zwischen der ÖVP, der SPÖ und den NEOS gescheitert sind. Dies stellt einen markanten Wendepunkt in der politischen Landschaft des Landes dar. Kickl plant bereits erste Treffen mit anderen Parteien, darunter ein Gespräch am Mittwoch mit ÖVP-Klubobmann Christian Stocker, um den weiteren Fahrplan zu diskutieren. Die konkreten Details zu diesen Gesprächen bleiben jedoch zunächst unklar.
Das Verhandlungsteam der FPÖ zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Zusammenstellung aus, in der mehrere Mitglieder der Burschenschaften angehören. Unter den Führungspersönlichkeiten der FPÖ finden sich die Generalsekretäre Michael Schnedlitz und Christian Hafenecker, wobei Hafenecker als bedeutender Berater Kickls gilt und der Wiener Burschenschaft Olympia angehört. Schnedlitz wird vor allem für seine Verbindungen zu den Gegnern der Coronamaßnahmen bekannt.
Einprägsame Pläne der FPÖ
Die FPÖ unter Kickl verfolgt ambitionierte Pläne. Laut Süddeutscher Zeitung könnte ein freiheitlicher Volkskanzler als „Diener, Sprachrohr und Beschützer“ der Österreicher fungieren. Kickl fordert eine klare Hinwendung zur eigenen Bevölkerung und eine Abwendung von selbsternannten Eliten. Insbesondere wird die Idee angesprochen, die Mindestsicherung zu einem Privileg für österreichische Staatsbürger zu machen und temporär das Asylrecht in Österreich auszusetzen.
Ein zentraler Punkt seiner Agenda ist die militärische Sicherung der Staatsgrenzen, verbunden mit nationalstaatlichen Abschiebungsinitiativem sowie dem Ziel der Remigration zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und der kulturellen Identität. Kickl zeigt sich zudem offen für einen möglichen EU-Austritt als „verantwortungsvolle Notmaßnahme“ und übt Kritik an den EU-Sanktionen gegen Russland, die er als Wirtschaftskrieg bezeichnet.
Politische Spannung und mögliche Koalitionen
Die politische Situation in Österreich wird von Van der Bellen als „nie dagewesen“ beschrieben. Nach der Parlamentswahl Ende September, bei der die FPÖ den ersten Platz belegte, scheiterten die Koalitionsgespräche mit der ÖVP und der SPÖ. Während die konservative ÖVP und die SPÖ eine Koalition mit der FPÖ ausschließen, könnte im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen zwischen der ÖVP und SPÖ eine Koalition mit der FPÖ in Betracht gezogen werden, was an die Regierungszusammenarbeit zwischen 2017 und 2019 erinnern würde.
Die FPÖ steht zudem vor der Möglichkeit, den Nationalratspräsidenten zu stellen. Walter Rosenkranz, ein umstrittener Kandidat mit rechtskonservativer Vergangenheit und Mitglied einer schlagenden Burschenschaft, wurde für dieses Amt nominiert. Die Wahl des Nationalratspräsidenten ist besonders heikel, da dieser nicht abgewählt werden kann und freiwillig aus dem Amt scheiden müsste. Die angespannten politischen Verhältnisse und die zahlreichen Vorbehalte gegen die FPÖ, die unter anderem Bedenken hinsichtlich der liberalen Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit beinhalten, sorgen jedoch für ein gespanntes Klima.
Der Ausgang dieser Entwicklungen bleibt ungewiss, während Kickl optimistisch auf Facebook postet, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Die kommenden Wochen werden entscheidend sein für die künftige politische Ausrichtung Österreichs und die Position der FPÖ innerhalb dieses Kontextes.