
Uwe Stürmer, Präsident des Polizeipräsidiums Ravensburg, beschreibt die Corona-Pandemie als eine der schwersten Krisen, die die Gesellschaft je erlebt hat. In einem kürzlich geführten Interview berichtet er, dass zu Spitzenzeiten 118 Polizeibeamte gleichzeitig an Corona erkrankt oder freigestellt waren. Trotz dieser Herausforderungen musste die Polizei jedoch den Dienst rund um die Uhr aufrechterhalten, was oft eine enorme Belastung darstellte. Beamte teilten sich in Schichten auf, um die Ansteckungsrisiken zu minimieren, während Kriminaltechniker auch Kontakt zu verstorbenen COVID-19-Patienten hatten, was zu weiteren Gefahren führte. Insbesondere nach Ostern 2020 meldeten die Oberschwabenkliniken in Ravensburg, dass sie keine Aufnahmekapazitäten mehr hatten, was Stürmer große Sorgen bereitete, da er fürchtete, dass die Polizei letztlich Erkrankte abweisen müsse.
In der Anfangsphase der Pandemie wurden Schulen geschlossen und die Polizei war angewiesen, die Kontaktbeschränkungen aktiv zu kontrollieren. Interessanterweise setzten die Beamten sogar Zeppeline ein, um die Einhaltung der Regeln zu überwachen. Stürmer hob hervor, dass die psychische Belastung, der sowohl die Beamten als auch die Bevölkerung ausgesetzt waren, erheblich war. Er äußerte zudem Kritik an den sogenannten „Montags-Spaziergängern“ in Ravensburg, die gegen die Maßnahmen demonstrierten, stellte jedoch fest, dass die Mehrheit der Bevölkerung sich an die Vorgaben hielt. Dass die Situation viele Menschen belastete, wurde durch die Erkenntnisse der WDR-Studie über das Phänomen der „Pandemiemüdigkeit“ untermauert.
Psychische Belastungen in der Gesellschaft
Die WDR-Studie zeigt, dass insbesondere bei Menschen unter 30 Jahren, vor allem jungen Männern, die Risikowahrnehmung abgenommen hat. Diese Gruppe informiert sich weniger über die aktuelle Infektionslage und zeigt kaum Bereitschaft, ihr soziales Leben weiterhin einzuschränken. Forscher warnen vor der Nutzung von Angst-Kampagnen, da diese oft zu Trotzreaktionen führen können. Die Kölner Medizinethikerin Christiane Woopen äußert Zweifel daran, dass strengere Zwangsmaßnahmen Verbesserung bringen könnten. Stattdessen plädiert sie für eine „Kultur der Ermöglichung“, die Verantwortlichkeit des Einzelnen hervorhebt, während Freiheiten trotz Krise betont werden sollten.
Die WHO hatte bereits im Mai 2020 vor den negativen Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit gewarnt. Studien zeigten, dass nicht nur Gesundheitsmitarbeiter, sondern auch die Allgemeinbevölkerung unter Angstzuständen, Depressionen und Schlafproblemen litten. Einhohlend auf Stürmers Beobachtungen bemerkt er ein wachsendes Misstrauen und eine staatsfeindliche Einstellung, die sich in Teilen der Bevölkerung gebildet hat. Der Polizeipräsident führt dies auf die spürbare Spaltung in der Gesellschaft zurück, die durch die Corona-Pandemie verstärkt wurde.
Lehren aus der Pandemie
Stürmer hebt hervor, dass er bei einer erneuten Pandemie versuchen würde, frühzeitig Schutzausrüstung zu beschaffen, und fordert eine bessere Kommunikation der Maßnahmen durch die Regierung. Diese Kommunikation könnte entscheidend sein, um das Vertrauen der Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Während die gesellschaftlichen Spannungen anhalten und die psychischen Belastungen insbesondere in der jüngeren Generation zunehmen, wird es immer wichtiger, stabile Unterstützungsprogramme für Risikogruppen zu entwickeln.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Corona-Pandemie nicht nur zu einer gesundheitlichen, sondern auch zu einer tiefgreifenden sozialen und psychischen Krise geführt hat. Laut den Erkenntnissen aus mehreren Studien, unter anderem der von WDR und der WHO, ist eine besondere Aufmerksamkeit für die psychische Gesundheit aller Bevölkerungsschichten erforderlich, um die Herausforderungen dieser außergewöhnlichen Zeiten zu meistern.