
In einem Interview mit dem Spiegel hat der Migrationsexperte und Jurist Daniel Thym eine grundlegende Reform der Asylpolitik gefordert. Er kritisiert insbesondere die derzeitige Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention und warnt vor unzureichenden Vorbereitungen der Migrationspolitik auf zukünftige Krisen. Seiner Ansicht nach sind die aktuellen Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD lediglich kurzfristige Maßnahmen, die nicht nachhaltig wirken können. Für Thym ist Migration ein vielschichtiges Thema, das sich nicht nur auf Aufnahmequoten reduzieren lässt. Er stipuliert, dass Deutschland als Einwanderungsland anerkannt werden sollte, jedoch nicht jedem Asylbewerber ein Bleiberecht gewährt werden muss.
Thym schlägt vor, Migrationsabkommen mit Herkunftsländern abgelehnter Asylbewerber abzuschließen, um legale Arbeitsvisa zu fördern. Er äußert Kritik an der Substanz der bisherigen Migrationsabkommen Deutschlands und fordert eine Reform des Dublin-Systems, sodass Asylbewerber nur noch einen Antrag stellen dürfen. Darüber hinaus empfiehlt er eine tägliche Obergrenze für Asylanträge an den EU-Außengrenzen sowie eine elektronische Terminvereinbarung für die Einreise.
Reform der Menschenrechtsstandards
Ein zentrales Anliegen von Thym ist eine Reform der Menschenrechtsstandards, um das Asylverfahren grundlegend zu verändern. Dies könnte unter Umständen eine Änderung der EU-Verträge und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfordern. In diesem Kontext hat der AfD-EU-Abgeordnete Tomasz Froelich Thyms Forderungen unterstützt und kritisiert die Menschenrechtskonvention als nicht mehr zeitgemäß. In seiner Kritik warnt Froelich vor der Destabilisierung Deutschlands und Europas durch Massenmigration und fordert eine breite Diskussion über die Rechtsordnung.
Migrationsabkommen und deren Herausforderungen
Die Notwendigkeit von Migrationsabkommen wird auch durch die sich verändernde europäische Landschaft deutlicher. Migration ist ein transnationales Phänomen, und unilaterale Steuerungsversuche der Zielländer – wie in Deutschland – zeigen oft wenig Erfolg. Der Deutsche Bundestag ist daher mit bilateralen und europäischen Kooperationsvereinbarungen gefordert, die migrationspolitische Prioritäten durchsetzen können. Diese Abkommen mussten in den letzten Jahrzehnten in unterschiedlichen Formen verhandelt werden.
Frühe Vereinbarungen wie die Gastarbeiter- und Vertragsarbeiterabkommen haben zwischen 1955 und 1973 Hunderttausende Arbeitsmigrant:innen nach Deutschland gebracht. Jedoch endete die aktive Rekrutierung 1973. Seit den 2000er-Jahren hat die EU ebenfalls zahlreiche Rückübernahmeabkommen abgeschlossen, deren Effekte hinter den Erwartungen zurückblieben. Zu den neueren Entwicklungen gehört, dass Deutschland unter der Leitung eines Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen das Ziel verfolgt, sowohl Anwerbung als auch Rückkehr in einem ganzheitlichen Ansatz zu kombinieren. Dies umfasst unter anderem verbindliche Abkommen mit Ländern wie Indien und Kenia.
Die Herausforderung der Externalisierung der Asylpolitik
Im Kontext der aktuellen Asylpolitik stehen viele europäische Länder unter Druck, die Anzahl der Asylanträge zu senken. Mit mehr als einer Million Anträgen im Jahr 2023 ist der Zuspruch für rechtspopulistische Parteien stetig gestiegen, die restriktivere Ansätze fordern. Eine mögliche Lösung, die sich abzeichnet, ist die „Externalisierung“ der Asylpolitik. Hierbei wird angestrebt, Asylverfahren in Länder außerhalb der EU abzuwickeln. Solche Modelle wären allerdings rechtlich und ethisch umstritten. Bedenken hinsichtlich des Völkerrechts und der Genfer Flüchtlingskonvention machen deutlich, dass die Verantwortung für den Schutz von Asylsuchenden nicht einfach ausgelagert werden kann.
Ein Beispiel für diese Externalisierungsansätze bildet das Abkommen zwischen Italien und Albanien zur Errichtung von Aufnahmezentren in Albanien, das viele Fragen zur Wirksamkeit und den damit verbundenen ethischen Implikationen aufwirft. Kritiker argumentieren, dass solche Maßnahmen die internationalen Asylschutznormen untergraben und zu einer Dehumanisierung der Asylsuchenden führen könnten.
In der Diskussion um zukünftige migrationspolitische Lösungen müssen die EU-Staaten grundlegende Prinzipien der Menschenrechte respektieren und gleichzeitig den Fokus stärker auf legale Zugangswege für Flüchtlinge und Migranten richten. Die Minderung von Fluchtursachen durch stabilisierende Maßnahmen in Krisenregionen ist unerlässlich, um eine dauerhafte Lösung für die anhaltenden Herausforderungen der Migration zu erreichen.