
Im vergangenen Jahr können in Deutschland Spenden in Höhe von rund fünf Milliarden Euro verzeichnet werden, insbesondere in der Vorweihnachtszeit. Diese Zahlen stammen aus einer Untersuchung, die von Soziologen der Heinrich-Heine-Universität, Prof. Dr. Annette Schnabel und Dr. Ulf Tranow, durchgeführt wurde. Das Ziel dieser Untersuchung war es, die Bereitschaft und Motivation der Menschen zu analysieren, für bedürftige Menschen zu spenden.
Die Soziologen definieren Spenden als einen Ausdruck der Solidarität. Ihre Erkenntnisse basieren auf einem internationalen Datensatz, der von der Bertelsmann Stiftung in Auftrag gegeben und von infas erhoben wurde. Die Ergebnisse wurden im Religionsmonitorbericht „Ressourcen für Solidarität“ veröffentlicht. So zeigt die Untersuchung, dass aktuelle Krisen und Notsituationen die Spendenbereitschaft ankurbeln: 75 Prozent der Befragten gaben an, Geld für Flutopfer in Deutschland spenden zu wollen, während 63 Prozent bereit sind, für Katastrophen im Ausland zu spenden.
Religiöse Bindung und Spendenbereitschaft
Religiös gebundene Menschen spenden demnach mehr: 71 Prozent der Christen und 69 Prozent der Muslime haben im letzten Jahr gespendet, im Vergleich zu 59 Prozent der Menschen ohne Glaubenszugehörigkeit. Neben der Spendenbereitschaft ist auch das Ehrenamt von Bedeutung, wobei 31 Prozent der religiös gebundenen Menschen ehrenamtlich aktiv sind, während dies nur für 17 Prozent der nichtreligiös gebundenen Personen zutrifft. Religiöse Gemeinschaften bieten dabei Strukturen, die sowohl die Spendenwilligkeit als auch das ehrenamtliche Engagement fördern.
Die Untersuchung zeigt auch, dass säkularisierte Gesellschaften über eigene Solidarressourcen verfügen, wie Vereine oder Nachbarschaftshilfen. Trotz dieser ermutigenden Zahlen sehen 77 Prozent der Deutschen Gerechtigkeitslücken in der Gesellschaft; 84 Prozent empfinden die Verteilung der wirtschaftlichen Erträge als ungerecht. Diese Wahrnehmung des gesellschaftlichen Klimas hat einen direkten Einfluss auf das Spendenverhalten. Die Forscher warnen, dass ein Verlust des sozialen Vertrauens zu einem Rückzug ins Private und einem Rückgang des Engagements führen könnte.
Zusätzliche Erkenntnisse kommen vom Religionsmonitor, der den Einfluss des Religionsbezuges und des Vertrauens in andere Menschen auf das Solidaritätsverhalten untersucht. So spenden 74 Prozent der Befragten, die anderen Menschen vertrauen, während nur 52 Prozent der misstrauischen Befragten bereit sind, Spenden zu leisten. In einer hypothetischen Situation, in der sie einen Lottogewinn erhalten, würden 76 Prozent der Vertrauenden ihr Geld spenden, im Vergleich zu nur 40 Prozent der Misstrauischen. Zwei Drittel der Befragten glauben, dass Arme und in Not Geratene in Deutschland Unterstützung erhalten können, während gleichzeitig rund drei Viertel der Bevölkerung ein pessimistisches Menschenbild haben und der Auffassung sind, dass die meisten Menschen egoistisch sind.
Die Solidarität wird laut diesen Daten hauptsächlich durch Familie (89 %), Nachbarschaft und Freundeskreis (79 %) sowie religiöse Gemeinden (44 %) gewährleistet. 78 Prozent der Befragten setzen zudem auf den Staat zur Umverteilung und zur Unterstützung von Solidarität. Die Bedeutung eines funktionierenden sozialen Systems wird auch durch die Wahrnehmung von Gerechtigkeitslücken in Deutschland untermauert. Es wird darauf hingewiesen, dass ein Versagen von Staat und Gesellschaft, diese Gerechtigkeitslücken zu schließen, das Sozialvertrauen erodieren könnte. Trotz derzeit hoher Solidarität wird betont, dass Kirchen, Zivilgesellschaft und politische Akteure gemeinsam daran arbeiten müssen, diese zu erhalten.
Mehr Informationen finden Sie in den Berichten von Heinrich-Heine-Universität sowie der Bertelsmann Stiftung.