
Die Veränderungen in der Callcenter-Branche stehen unter dem Zeichen der Künstlichen Intelligenz (KI). Laut ZVW gewinnt KI zunehmend an Bedeutung in diesem Sektor. Eine Prognose von Marie-Christine Fregin, einer Ökonomin der Universität Maastricht, deutet darauf hin, dass weniger, dafür aber besser bezahlte Arbeitsplätze entstehen könnten. Dies erfolgt in einem Kontext, der durch eine abnehmende Anzahl von Kundenanrufen geprägt ist, da viele Kunden zunehmend Apps nutzen.
Ein signifikantes Beispiel für diese Entwicklung ist der deutsche Onlinehändler Otto, der kürzlich die Entlassung von rund 480 Mitarbeitern im Kundenservice angekündigt hat. Die Gründe für diese drastische Entscheidung sind der verschärfte Wettbewerb, eine schwache Konjunkturlage und das veränderte Kundenverhalten. Die Anzahl der Beschäftigten in der deutschen Callcenter-Branche ist unklar: Die Bundesagentur für Arbeit zählt etwa 127.000 Fachkräfte im Dialogmarketing, während der Branchenverband CCV die Zahl auf etwa 560.000 Beschäftigte im gesamten Sektor, einschließlich Unternehmenscallcentern, schätzt.
Die Rolle der Künstlichen Intelligenz
Im Callcenter wird die Aufgabenverteilung oft pyramidenförmig gestaltet. Die Mehrheit der Mitarbeiter führt routinemäßige Arbeiten aus, während höher qualifizierte Angestellte komplexere Aufgaben übernehmen. Verbandspräsident Dirk Egelseer erwartet durch die Automatisierung tiefgreifende Veränderungen in der Branche, sieht jedoch nicht alle Mitarbeiter in Gefahr. Auch die Nachfrage nach einfachem Massengeschäft verringert sich, während der Bedarf an komplexen Dienstleistungen steigt.
KI-Agenten sind mittlerweile in der Lage, eigenständig zu agieren, Informationen bereitzustellen und sogar proaktive Kundenkontakte herzustellen. So bietet das Berliner Start-up Parloa KI-Agenten an, die auch Anrufe tätigen können. Das Unternehmen hat bereits Kunden aus verschiedenen Bereichen wie Finanzdienstleistungen, Versicherungen und dem Einzelhandel gewonnen. Für die Plattform von Parloa zahlen Unternehmen jährlich mindestens 100.000 Euro.
Ein fortschreitender Wandel
Die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz lassen sich nicht nur auf Callcenter beschränken. Der Einfluss von KI auf den Arbeitsmarkt ist umfassend. Prognosen zufolge könnten bis zu zwei Drittel der Arbeitsplätze in verschiedenen Sektoren von KI betroffen sein. Die Entwicklungen sind vor allem auf Fortschritte in der Automatisierung sowie die Vernetzung von Systemen zurückzuführen. Laut einer Analyse von BPB ist es jedoch weiterhin unklar, wie viele Arbeitsplätze tatsächlich gefährdet sind. Dennoch zeigt eine Studie aus dem Jahr 2020, dass nur 6% der Unternehmen in Deutschland zu diesem Zeitpunkt KI einsetzten.
Die Diskussion über KI und deren Integration in den Arbeitsmarkt wird von Hoffnungen auf neue Tätigkeitsfelder und Ängsten vor Arbeitsplatzverlust begleitet. Tätigkeiten, die zwischenmenschliche Interaktionen erfordern, werden voraussichtlich weniger betroffen sein. Dennoch besteht die Möglichkeit, dass KI menschliche Arbeit ergänzen, ersetzen oder gar neue Berufsfelder eröffnen könnte. Starke KI, welche menschenähnliche Intelligenz besitzen könnte, bleibt dabei vorerst ein theoretisches Konzept.
Die Gewerkschaft Verdi zeigt sich besorgt über diese Entwicklungen. Laut Volker Nüsse gibt es einen Trend zur Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice, was die Organisation der Gewerkschaftsmitglieder zusätzlich erschwert. Diese Herausforderungen müssen in einer Zeit bewältigt werden, in der Unternehmen zunehmend auf KI setzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.