
Die Zahl der Kirchenaustritte in Deutschland hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Jährlich treten im Januar besonders viele Menschen aus der Kirche aus, ein Trend, den auch Prof. Dr. Sven van Meegen, Pfarrer der Seelsorgeeinheit Ellwangen, beobachtet. Gründe dafür sind oft Geld, Enttäuschung und eine wachsende Entfremdung von der Institution Kirche. Van Meegen betont, dass die Kirche weit mehr sei als eine bloße religiöse Einrichtung: „Die Kirche ist eine Gemeinschaftsaufgabe“, sagt er und verweist auf die wichtige Rolle, die kirchliche Einrichtungen bei der Hilfe für Kinder, Jugendliche sowie Schwerstkranke und Sterbende spielen.
Viele Austretende geben an, keinen unmittelbaren Bezug zur Kirche zu haben, insbesondere wenn sie keine Kinder in kirchlichen Institutionen haben oder keine Unterstützung benötigen. Dennoch macht van Meegen klar, dass die Mitgliedschaft in der Kirche ähnlich wichtig sei wie die in einem Sport- oder Musikverein, da sie die Gemeinschaft stärke. Dies sei besonders relevant, da wiederholtes Engagement in der Kirche in strukturschwachen Regionen, wie etwa Ellwangen, gerade dort zur Stärkung der Gemeinschaft beiträgt, wo es am nötigsten ist.
Der gesellschaftliche Wandel und seine Auswirkungen
Die Abnahme der Kirchenzugehörigkeit ist nicht nur ein regionales Phänomen. Eine Studie von Forsa, in der auch Kristin Merle, Professorin für Praktische Theologie an der Universität Hamburg, mitwirkte, prognostiziert, dass der Anteil der Menschen, die einer christlichen Gemeinschaft angehören, im Jahr 2024 unter 50 Prozent sinken könnte. Dies ist ein dramatischer Rückgang, denn im Jahr 1972 waren noch 90 Prozent der Bevölkerung in Westdeutschland entweder evangelisch oder katholisch.
Die Untersuchung zeigt auch, dass 32 Prozent der Evangelischen und Katholiken zwar an Gott glauben, die Kirche aber kaum Bedeutung für sie hat. Eine starke Mehrheit, 56 Prozent der Evangelischen und 64 Prozent der Katholiken, die selten einen Gottesdienst besuchen, praktiziert ihre Spiritualität inzwischen außerhalb traditioneller kirchlicher Strukturen. Die Vielfalt an Weltanschauungen und der gesamtgesellschaftliche Wandel tragen zur Abnahme der Kirchenzugehörigkeit bei.
Die Bedürfnisse der Gläubigen
Die Gründe, warum Menschen in der Kirche bleiben, sind jedoch vielschichtig. So schätzen 47 Prozent der Befragten die Hilfe für Bedürftige und 39 Prozent die Solidarität und Gerechtigkeit, die die Kirchen vertreten. Biografisch relevante Angebote wie Taufen, Trauungen und Beerdigungen erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Anfragen nach diesen Zeremonien zeigen, dass die Kirche für viele Menschen wichtige Lebensübergänge begleitet.
Obwohl die Nutzung von Kirchenangeboten wie Gottesdiensten rückläufig ist – nur 11 Prozent der Evangelischen im Westen betrachten den Kirchenbesuch als Teil ihres Christseins – ist die Bedeutung der örtlichen kirchlichen Gemeinschaft für die Mitglieder ungebrochen. 67 Prozent der Evangelischen und 57 Prozent der Katholiken fühlen sich zumindest etwas mit ihrer Kirche verbunden.
Van Meegen appelliert an alle Gläubigen, die Gemeinschaft nicht aufzugeben: „Wir können nur gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft bewältigen.“ Er ermutigt dazu, auch jenen, die den Austritt in Erwägung ziehen, die Bedeutung der Kirche und ihrer sozialen Aufgaben nahe zu bringen, um gemeinsam für eine solidarische Zukunft zu sorgen. Während 87 Prozent der Menschen der Meinung sind, dass keine Religion besser ist als eine andere, bleibt die Frage der eigenen Religionszugehörigkeit und die Suche nach Sinn ein zentrales Thema in der heutigen Gesellschaft.
Weitere Informationen hierzu liefert die Studie von Forsa, die sich intensiv mit der Sinnsuche von Protestanten und Katholiken beschäftigt hat. Der Bericht beleuchtet die Entwicklungen in der Kirchenlandschaft in Deutschland und weist auf tiefgreifende Veränderungen hin, die für die kommenden Jahre prägend sein könnten.
Für tiefere Einblicke in die Thematik sei auf die Schwäbische Post, die Zeit sowie Bundestag.de verwiesen.