
Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern aus Mainz, Marburg und Würzburg hat ein innovatives Werkzeug für die digitale Keilschriftforschung entwickelt. Dieses Projekt, bekannt als Thesaurus Linguarum Hethaeorum Digitalis (TLHdig), wird an der UNESCO-Welterbestätte Boğazköy-Hattuša in der Türkei präsentiert, die einst die Hauptstadt des hethitischen Reiches war, das zwischen 1650 und 1200 v. Chr. florierte. Die Keilschrifttafeln aus dieser Region gehören zu den größten Textgruppen des Alten Orients und enthalten eine Vielzahl von Sprachen, darunter Hethitisch, andere anatolische Sprachen sowie sumerische, akkadische und hurritische Texte. Laut uni-wuerzburg.de verzeichnet TLHdig seit seiner Einführung im Jahr 2023 über 100.000 Zugriffe pro Monat.
Das umfangreiche Korpus des TLHdig umfasst nahezu 400.000 transliterierte Zeilen, und die Version 0.2, die bereits mehr als 98% aller veröffentlichten Quellen (ca. 22.000 XML-Textdokumente) abdeckt, bietet eine wertvolle Ressource für die Forschung. TLHdig 1.0 wird Ende 2025 erwartet und soll alle bis dahin veröffentlichten Texte integrieren. Forscher haben die Möglichkeit, sowohl in Transliteration als auch in Keilschrift zu suchen und komplexe Abfragen mit praktischen Filtern durchzuführen.
Ein bedeutendes Forschungswerkzeug
Das TLHdig-System ist in die Infrastruktur des Hethitologie-Portals Mainz integriert und damit eng verbunden mit digitalen Katalogwerkzeugen, die Forschenden den Zugang zu neuen hethitischen Keilschrifttexten erleichtern. Benutzer können Transliterationen aus gängigen Textverarbeitungsprogrammen in eine benutzerfreundliche Schnittstelle einfügen und online bearbeiten. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell unterstützt und erhält dafür in den kommenden drei Jahren insgesamt rund 520.000 Euro.
Die Leitung des Projekts obliegt Professor Gerfrid Müller, Professorin Doris Prechel, Professorin Elisabeth Rieken und Professor Daniel Schwemer. Mainz hat sich durch die enge Verknüpfung mit der Hethitologie, die seit den 1960er-Jahren in der Region verankert ist, als weltweites Zentrum für diese Forschung etabliert. Durch den Hethitologie-Archiv in Mainz, der den größten Bestand an hethitischen Schriften in Umschrift beinhaltet, wird die Förderung der Hethitologie weiter vorangetrieben, wie auch archaeologie-online.de berichtet.
Weiterführende Forschungsziele
Ein zentrales Ziel des Projektes ist die Schaffung eines digitalen Thesaurus für die Hethitologie. Ein Teil der Sammlung, die in diesem Rahmen entsteht, konzentriert sich auf Beschwörungsrituale, die darauf abzielen, das Wohlwollen der Götter zu gewinnen. Bereits ein großer Teil der circa 30.000 Tontafeln und Fragmente aus der hethitischen Hauptstadt Hattusa wurde digitalisiert, und diese Texte sollen mit ausführlichen Erklärungen versehen werden. Mittelfristig wird angestrebt, ein „lebendes Archiv“ von keilschriftlichen Manuskripten in Umschrift zu eröffnen, das neue Funde aus hethitischen Grabungsstätten integriert.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass TLHdig eine bahnbrechende Ressource für die Forschung zur Hethitologie darstellt, die das Verständnis der ältesten bekannten indogermanischen Sprache vertieft und potentielle Forschungsprojekte anstößt, welche die Vielzahl der kulturellen, religiösen und alltäglichen Aspekte der hethitischen Zivilisation beleuchten.