
Ein Forschungsteam an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat kürzlich gezeigt, wie die Umgebungstemperatur während der Entwicklung von Drosophila melanogaster, besser bekannt als Fruchtfliegen, die Gehirnentwicklung und das Verhalten der Tiere beeinflusst. Diese Studie legt nahe, dass Temperatur nicht nur eine Rolle bei der körperlichen Entwicklung spielt, sondern auch die neuronalen Verbindungen und das geruchsgesteuerte Verhalten entscheidend beeinflusst.
Bei Versuchen wurde festgestellt, dass bei einer niedrigeren Temperatur von 18 °C während des Verpuppungsstadiums wesentlich mehr Synapsen und postsynaptische Verbindungen im Geruchssystem der Fliegen gebildet werden. Im Vergleich dazu entwickelten Fliegen, die bei 25 °C aufwuchsen, bedeutend weniger dieser neuronalen Verknüpfungen.
Einfluss der Temperatur auf die neuronale Vernetzung
Das Forschungsteam dokumentierte, dass die Fliegen, die unter kälteren Bedingungen gezüchtet wurden, mehr als doppelt so viele postsynaptische Nervenzellen aufwiesen. Die Studie ergab auch, dass die Häufigkeit neuronaler Verbindungen in allen Phasen der Geruchsverarbeitung signifikant erhöht war. Höhere Temperaturen hingegen beschleunigten nur die allgemeine Entwicklung, während tiefere Temperaturen zu einer Zunahme der Synapsen führten.
Martelli und seine Kollegen entwickelten eine Theorie, die auf unterschiedlichen metabolischen Bedingungen für Körper- und Gehirnwachstum basiert. Sie vermuten, dass der Stoffwechsel in den Nervenzellen bei niedrigeren Temperaturen schneller ablaufen könnte als in anderen Körperzellen. Derzeit fehlen jedoch direkte Beweise für diese Hypothese, weshalb weitere Untersuchungen zur Genexpression angestrebt werden.
Zusätzlich zu den Änderungen in der neuronalen Vernetzung zeigten die Fliegen, die bei 18 °C herangewachsen sind, eine deutlich stärkere Anziehung zu Butanon im Vergleich zu ihren Artgenossen, die bei 25 °C entwickelt wurden. Trotz dieser erhöhten Konnektivität im Gehirn konnte jedoch keine Verbesserung der Riechleistung nachgewiesen werden. Die neuronale Aktivität im Riechzentrum blieb unverändert, was darauf hindeutet, dass die Verhaltensänderungen möglicherweise auf Veränderungen in höheren Gehirnbereichen zurückzuführen sind.
Kontext und Implikationen der Ergebnisse
Die Ergebnisse dieser Studie wurden im renommierten Wissenschaftsjournal Science Advances veröffentlicht und stützen sich auf vorhergehende Forschungen, die ebenfalls gezeigt haben, dass synaptische Verbindungen im visuellen System von Drosophila bei niedrigen Temperaturen verstärkt werden. Dies deutet darauf hin, dass Temperatur ein zentraler Faktor in der neuronalen Entwicklung und dem Verhalten von Tieren sein könnte.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und das Institute for Quantitative and Computational Biosciences (IQCB) unterstützen die Forschungsarbeiten, die grundlegende Fragen über den Einfluss von Temperatur auf biologische Systeme aufwerfen. Auch wenn die RGT-Regel besagt, dass eine Temperaturerhöhung um 10 °C die Reaktionsgeschwindigkeit in biologischen Systemen verdoppeln kann, gelten diese Prinzipien nur begrenzt, da Temperaturerhöhungen ab einem bestimmten Punkt auch negative Auswirkungen auf biologische Moleküle haben können, wie ABI-Web berichtet.
Diese Erkenntnisse rufen dazu auf, weitere relevante Forschungen durchzuführen, um das Verständnis über die dynamischen Beziehungen zwischen Temperatur, metabolischen Prozessen und neuronalen Funktionen zu vertiefen. Solche Studien könnten zukünftige Entwicklungen in der neurowissenschaftlichen Forschung erheblich beeinflussen und neue Perspektiven für das Verständnis des Verhaltens von Tieren bieten.