
Am 27. Januar 2025, dem internationalen Holocaust-Gedenktag und Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, überschatteten umstrittene Äußerungen eines AfD-Abgeordneten die Gedenkfeierlichkeiten. In einer Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses relativierte Marc Vallendar die Verbrechen des Nationalsozialismus, indem er sagte: „Mag ja sein, dass es Kriegsverbrechen gegeben hat“. Diese Äußerung stieß auf scharfen Widerspruch aus den Reihen der Anwesenden.
Ein Zwischenrufer aus dem Ausschuss kritisierte Vallendars Bemerkung als „Unverschämtheit“, während Ausschussvorsitzender Florian Dörstelmann von der SPD Vallendar in Bezug auf das Datum und die Bedeutung des Gedenktags zur Rede stellte. Vallendar räumte ein, sich des Datums bewusst zu sein, und änderte seine Formulierung, indem er stattdessen sagte: „Es gab Kriegsverbrechen“ (Welt).
Erinnerungskultur in Deutschland
Der Gedenktag am 27. Januar hat in Deutschland eine zentrale Bedeutung und markiert die systematische Ermordung von sechs Millionen Juden sowie weiteren hunderttausenden Opfern des Nationalsozialismus. In der deutschen Erinnerungskultur nimmt das Gedenken an die Opfer eine tragende Rolle ein. Es gibt über 300 Gedenkstätten und NS-Dokumentationszentren, die als Lernorte für Schüler und Schülerinnen dienen, um die Geschehnisse des Holocausts und die Gräueltaten des NS-Regimes in den Geschichtsunterricht zu integrieren (DW).
Der Gedenktag wird seit 1996 begangen, hat jedoch nicht den Status eines offiziellen Feiertags. Trotz der Bemühungen um eine umfassende Erinnerungskultur wird das Gedenken an die NS-Verbrechen zunehmend von rechtsextremen und rechtspopulistischen Gruppen angefeindet. Jens Christian Wagner, der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, berichtete über Bedrohungen, denen er aufgrund seiner Position ausgesetzt ist. Auch Veronika Hager von der Stiftung EVZ berichtete von Vandalismus und Holocaustleugnung in Gedenkstätten.
Kontroversen und Herausforderungen
Die Kontroverse um Vallendars Äußerungen ist nicht nur ein Einzelfall. Alice Weidel von der AfD hat ebenfalls umstrittene Ansichten über den Nationalsozialismus geäußert. Diese Politik hat dazu beigetragen, dass Antisemitismus in Deutschland zugenommen hat, insbesondere seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Michel Friedman kritisierte die deutsche Erinnerungskultur als zu ritualisiert und forderte eine tiefere Verantwortung für die lebenden Juden und eine Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte.
Erinnerungskultur sollte sich nicht als abgeschlossen betrachten, sondern sich weiterentwickeln, um die vielfältigen Aspekte der deutschen Vergangenheit zu beleuchten. Politologin Saba-Nur Cheema betont die Rolle der Zivilgesellschaft in diesem Prozess und schlägt vor, dass Jugendliche sich mit der NS-Zeit in ihrem eigenen Lebensumfeld auseinandersetzen sollten, um ein tieferes Verständnis für die Ereignisse von damals und deren Relevanz für die Gegenwart zu erlangen (DW).