
Im Seniorenquartier in Heiligenhafen haben sich zwei Frauen aus Rügenwalde, das heutige Darlowo in Polen, wiedergefunden, nachdem sie sich während ihrer Flucht 1945 aus den Augen verloren hatten. Gertrud Schröder, 101 Jahre alt, und Rosemarie Ehlert, 90 Jahre alt, teilen nicht nur eine tragische Vergangenheit, sondern auch viele gemeinsame Erinnerungen. Pastor Ronald Mundhenk, ein früherer Klinik-Seelsorger, stellte die beiden Frauen vor. Er kannte Schröder von ihrer Zeit als Organistin in der Klinik, während Ehlert dort als Pflegedirektorin arbeitete.
Dank ihrer wiederentdeckten Freundschaft können beide Frauen die traumatischen Erlebnisse der Flucht teilen. Im April 1945, als die russischen Truppen näher rückten, flohen sie aus Rügenwalde. Schröder war als Postbeamtin tätig und konnte mit einem Kutter entkommen. Ihre Erinnerungen an die Bombenangriffe in Swinemünde sind noch lebhaft. Ehlert hat eine spezielle Erinnerung an ihre Tante, die mit einem Säugling in der hektischen Situation auf der Reling stand. Diese Erlebnisse prägten sie ein Leben lang, da beide Frauen als Kinder hofften, eines Tages nach Rügenwalde zurückzukehren.
Gemeinsame Erinnerungen und Erlebnisse
Nach dem Krieg fanden beide Frauen ihr Glück in Ostholstein, wo sie den Ort ihrer Kindheit besuchten und durch ihre gemeinsamen Gespräche ihre Erinnerungen lebendig halten. Ehlert erinnert sich beispielsweise an den Schlachtereibetrieb von Georg Müller, dem ersten Mann von Schröder. Dieser Betrieb wurde nach der Flucht in Neukirchen in Ostholstein neu aufgebaut. Schröder hat sogar eine Banderole von der letzten Wurst des ursprünglichen Betriebs aufbewahrt, was ihren emotionalen Bezug zu dieser Zeit verdeutlicht.
In der aktuellen Zeit erinnern sich viele Menschen an die Fluchtgeschichten aus Pommern. Ein Buch von Heinz Schön, das im August 2024 veröffentlicht wird, beleuchtet die Rettung über die Ostsee aus verschiedenen Pommernhäfen, darunter Rügenwalde, und erzählt von den Schicksalen vieler Zeitzeugen. Das Werk enthält elf Kapitel zu den wichtigsten Fluchtorten sowie 56 bisher unveröffentlichte Erinnerungen und zahlreiche Fotos aus dem Pommern-Archiv. Diese Erzählungen sind unverzichtbar, um die Vergangenheiten lebendig zu halten und das Verständnis für die Erfahrungen der Vertriebene zu fördern. Wie der Zeitgut Verlag GmbH betont, ist es wichtig, diese Geschichten zu dokumentieren, um die Historie lebendig zu halten.
In einer Zeit, in der immer weniger Zeitzeugen zur Verfügung stehen, werden die Erinnerungen von Gertrud Schröder und Rosemarie Ehlert und die Erzählungen im kommenden Buch von Heinz Schön von unschätzbarem Wert sein. Die Schicksale der Frauen sind nicht nur persönliche Erlebnisse, sondern auch Teil der kollektiven Erinnerung einer Generation, die die Schrecken des Krieges und der Flucht erlebt hat.