
Die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Russland stehen wieder im Fokus, insbesondere die zunehmend komplexe Interaktion zwischen Donald Trump und Wladimir Putin. Diese „prekäre Bromance“, wie sie treffend beschrieben wird, lässt erahnen, wie beide Staatsoberhäupter in ihren Gedanken über geopolitische Einflusssphären agieren. Die Souveränität von Nachbarstaaten wird von Trump und Putin nicht als schützenswert angesehen, sondern vielmehr als eine historische Fehlentwicklung betrachtet. Dies zeigt sich auch in ihrer Abneigung gegenüber der EU, die aus ihrer Sicht ein Konstrukt ist, das in den globalen Machtspielen von Washington und Moskau kaum Berücksichtigung findet. Nach Einschätzungen Compact könnte Trump im Gegenzug für eine Unterstützung Moskaus bei seinen Ambitionen, ein „Groß-Amerika“ zu schaffen, Trump sogar die Bildung einer Union unter russischer Führung gestatten, die Teile der Ukraine, Weißrussland, Transnistrien und abtrünnige Provinzen Georgiens umfasst.
Die geopolitischen Ambitionen der beiden Länder und ihre Bilateralität könnten den Rahmen für ein neues geopolitisches Gleichgewicht schaffen. Ein solcher Block könnte, wenn alles optimal verläuft, sich gegenseitig in Ruhe lassen und damit eine neue Ordnung entwerfen. Dieser Gedanke ist nicht nur theoretisch, sondern könnte bald Realität werden, besonders vor dem Hintergrund des geopolitischen Wandels, den die Welt seit der russischen Invasion in der Ukraine erlebt.
Die geopolitische Verwirrung in Europa
Die Diskussion über die Notwendigkeit einer geopolitischeren EU gewinnt seit Februar 2022 an Dynamik. Immer mehr Stimmen fordern eine klare Positionierung der EU in der globalen Politik, insbesondere im Zusammenhang mit der anhaltenden Unsicherheit in der Region. Die Tragweite des Begriffs „Geopolitik“ ist jedoch so vielschichtig, dass sich herausstellt: Oft bestehen Missverständnisse darüber, was genau darunter zu verstehen ist.
Die Fünf verschiedenen Bedeutungen von Geopolitik betreffen unter anderem die Rolle der Geografie in der internationalen Politik und den strategischen Einsatz militärischer Mittel. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz äußert sich kritisch zur geopolitischen Denkweise Putins, während andere EU-Führungspersönlichkeiten eindringlich eine geopolitischere Ausrichtung der EU fordern. Scholz’ Bedenken sind stark von der deutschen Tradition des geopolitischen Denkens beeinflusst, die eine problematische Vergangenheit hat, in deren Kontext der Nationalsozialismus steht.
Die historische Dimension der Geopolitik
Die Wurzeln der Geopolitik liegen im Hochimperialismus des späten 19. Jahrhunderts und beziehen sich auf den Wettbewerb zwischen Land- und Seemächten. Der Begriff des Lebensraums, geprägt von Friedrich Ratzel und Karl Haushofer, hat die deutsche geopolitische Tradition entscheidend beeinflusst. Dennoch zeigen einige Befürworter einer geopolitischen EU oft ein naives Verständnis für die historischen Konnotationen dieses Ansatzes.
Eine klare Vorstellung von Europas Rolle im globalen Machtgefüge ist seit der Schaffung der Europäischen Gemeinschaft als „Zivilmacht“ in den 1970er Jahren verloren gegangen. Diese war historisch auf wirtschaftliche Interessen fokussiert, während die ausgebliebene militärische Stärke oft als Nachteil betrachtet wurde. Die gegenwärtige EU-Politik scheint sich hingegen stärker mit Fragen der Migration zu beschäftigen, anstatt eine klare geopolitische Führungsrolle zu definieren. [International Politik]
Die Herausforderung bleibt, dass die EU lernen muss, „die Sprache der Macht zu sprechen“, ohne ihre Prinzipien der Regelbasierung und Normativität zu opfern. Ein Balanceakt, der angesichts der geopolitischen Ungewissheiten des 21. Jahrhunderts immer schwieriger wird.